Hier soll einer einzigartigen Yoga-Richtung besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Der in Indien und darüber hinaus berühmt gewordene Sri Tirumalai Krishnamacharya (1888-1989) ent-stammt einer bedeutenden Traditionslinie des Yoga. Der Gelehrte entwickelt auf Grundlage jahrhundertealten Wissens einen modernen Ansatz, der sich durch eine revolutionäre Welt- und Kulturoffenheit auszeichnet und am Alltag der Menschen orientiert ist. Sein Sohn T. K. V. Desikachar (*1938) setzt das Erbe seines Vaters fort und erweitert das Konzept um den Aspekt der Yoga-Therapie.
Unter westlichen Einflüssen hat sich die indische Philosophie längst zu einer Massenbewegung entwickelt und sich über die ganze Welt verbreitet. Dieses Phänomen ist einfach nachzuvollziehen. Der (groß)städtische Alltag ist mit einer Lebensweise verbunden, die oft einhergeht mit Zeit- und Leistungsdruck, Informationsüberflutung und hohen Anforderungen wie ständiger Erreichbarkeit und Mehrfachbelastungen. Ein „zu viel“ an Stress in Beruf und Freizeit sowie ein „zu wenig“ an Bewegung und Entspannung kann auf Dauer einen Zustand der Überforderung oder chronische Beschwerden hervorrufen. Der Kopf schaltet nicht mehr ab, der Körper bewegt sich unter Schmerzen und der Atem ist oberflächlich und unregelmäßig. Ein solcher Zustand kann negative Auswirkungen zur Folge haben wie Erschöpfung, Muskelverspannungen, Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen oder Nervosität.
Die ganzheitliche Sichtweise des Yoga berücksichtigt nicht nur die körperliche Verfassung eines Menschen, sondern betrachtet auch den Zustand von Geist und Atem. Die drei Ebenen zu verbinden und miteinander in Einklang zu bringen ist ein wichtiger Bestandteil. Durch verschiedene Körperhaltungen (Asana) werden die Muskeln gelockert und gestärkt. Zudem kann sich durch Aufrichtung des Oberkörpers der Atem im Körper ausdehnen. Mit speziellen Atemübungen (Pranayama) kann das Nervensystem positiv beeinflusst und eine beruhigende (z.B. bei Stress) oder eine anregende (z.B. bei Müdigkeit) Wirkung herbeigeführt werden. Im Yoga lässt sich die Erfahrung machen, dass einem ruhigen Atem auch oft ein ruhiger Geist folgt.
Im Mittelpunkt der Yogapraxis steht der Teilnehmer mit dem ganzen Spektrum seiner individuellen Möglichkeiten und Begrenzungen. Insbesondere für Teilnehmer mit muskoloskeletalen Problemen im Schulter-, Rücken-, Hüft- oder Kniebereich bietet der therapeutische Ansatz unterstützende Maßnahmen an. Ungünstige Schonhaltungen können bewusster wahrgenommen, aufgelöst und durch günstige Bewegungsmuster ersetzt werden. Im Vordergrund steht, dass der Yoga-Übende im schmerzfreien Bereich zur Bewegungsfreude zurückfindet.
Auch bei Depression, Krebs, Diabetis Mellitus, Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen, chronischen Leiden wie Arthrose oder degenerativen Erkrankungen zeigt sich nach Forschungsergebnissen, dass die heilsame Wirkung von Yoga einen positiven Einfluss auf den allgemeinen Gesundheitszustand haben kann. Auch die Effekte von Yoga auf das endokrine System und das Nervensystem sind inzwischen gut dokumentiert.
In der ausgewogenen Kombination von Bewegung und Atemübungen, lässt sich das innere Gleichgewicht wiederfinden und wird der Geist zum Innehalten und Reflektieren eingeladen. Die Sichtweise der Yogarichtung ist ausgerichtet auf die Erhaltung und Förderung der Gesundheit unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensumstände.
Der Fokus liegt auf dem individuell angepassten Üben, bei dem eine positive Wirkung auf die Wirbelsäule und Atmung das zentrale Anliegen ist. Das Konzept geht zudem auf den unterschiedlichen Erfahrungsstand von Einsteigern und Fortgeschrittenen ein. Der Stundenaufbau bereitet den einzelnen Teilnehmer schrittweise auf die Anforderungen an den Bewegungsapparat bzw. das Atemsystem vor. Um das Risiko möglicher Verspannungen oder Verletzung zu minimieren, besteht neben dem Einsatz von Ausgleichshaltungen auch immer die Möglichkeit, die Abläufe mildernd abzuwandeln. Somit kann die Übungspraxis den Bedürfnissen entsprechend, sanft bis fordernd gestaltet werden.
Eine regelmäßige Yogapraxis in der Kleingruppe hat viele Vorteile und ist mit verhältnismäßig geringen Aufwand oder Kosten verbunden. Unter Anleitung eines erfahrenen Yogalehrers, kann jeder Teilnehmer die zu ihm passenden und wohltuenden Bewegungen finden. Die große Vielfalt der verschiedenen Yogaübungen, ermöglicht in einem Raum von Stille und Entschleunigung eine achtsame Beobachtung der eigenen Bewegungs-, Reaktions-, Verhaltens- oder Gedankenmuster. Der Abstand vom Alltag und die Annäherung zu sich selbst entfalten heilsame Qualitäten. Durch die tiefe Entspannung zum Abschluss der Yogastunde kann sich der Körper regenerieren und Kraft schöpfen. Indem der Geist zur Ruhe kommt, können destruktive Verhaltensmuster wie unbewusstes Verhalten in Stresssituationen durchschaut und unterbrochen werden.
Ein wesentlicher Gedanke der Yogaphilosophie lautet, dass vorhandenes Leid reduziert und künftiges verhindert werden soll. Ein bewusstes Wahrnehmen von Problemen und Konflikten, soll einen gesunden Umgang mit den eigenen Kräften hervorbringen. Der Erfolg einer gesundheitsfördernden Übungspraxis misst sich an positiven Veränderungen und der Etablierung von günstigen Verhaltensweisen im Alltag.