YS 1.30 Hindernisse auf dem Yoga-Weg
1. Krankheit (Vyadi)
Das Thema Krankheit steht nicht ohne Grund an erster Stelle der im Yogasutra aufgezählten Hindernisse. Nicht selten plagen einen jeden von uns kleine Zipperlein wie Erkältungen, Zahn- oder Kopfschmerzen. Der Geist ist sehr aufmerksam bei auftretenden Schmerzen und prüft, ob eine ernste Gefahr vorliegt oder eine Ruhepause dringend nötig ist. Auch wenn es nicht akut ist, ziehen Beschwerden und Einschränkungen während des Übens oder der Entspannung die Aufmerksamkeit auf sich. Auch die Alltagserledigungen können schwerer fallen als sonst. Dann gilt es, sich bewusst zu machen, dass es dem Körper größtenteils gut geht und eine Praxis möglich ist, wenn die betroffene Region entsprechend berücksichtigt und das Üben dem aktuellen Befinden anpasst wird.
Auch ein subtiles Gefühl von Unwohlsein kann auf die Dauer unsere Lebenskraft blockieren und zu Krankheiten führen. Schlaflose Nächte, eine unausgewogene Ernährung oder zu wenig Bewegung machen sich nicht nur auf der körperlichen Ebene bemerkbar, auch der Geist wird in Form von diffuser Unzufriedenheit ganz schön abgelenkt. Yoga bietet sich als gute Möglichkeit zum Spüren und Wahrnehmen eigener Bedürfnisse an. Aber Achtung, manchmal haben wir uns schon so sehr daran gewöhnt, dass sich Trostessen oder Fernsehen gut anfühlt und in Folge daraus erste Schritte in Richtung Gesundheit und Wohlbefinden einen ordentlichen Widerstand hervorrufen können. Hier macht es Sinn mit Disziplin und Geduld am Ball zu bleiben, bis sich die neuen Gewohnheiten etabliert haben.
Stellen sich allerdings chronische Krankheiten ein oder erkrankt ein Familienmitglied schwer, sieht es noch mal ganz anders aus. Über einen längeren Zeitraum wird sehr viel Kraft und Energie benötigt, denn neben körperlicher Erschöpfung und etlichen Sorgen können Gefühle von Enge, Hilflosigkeit oder
Schuld auftreten. Zudem könnte die (plötzliche) Veränderung auch einen Verlust an Vertrauen in sich und die Welt herbeiführen. Die Frage "Warum gerade ich?"
stellt sich und lässt Zweifel aufkommen, ob und was man falsch gemacht haben könnte. Das Üben von Yoga entspricht einem Bild von gesunder und achtsamer Lebensweise. Daraus folgt jedoch nicht im
Umkehrschluss, dass Praktizierende nicht krank werden. Viel mehr kann sich die Sichtweise auf Krankheit durch eine regelmäßige Yogapraxis ändern, zum Beispiel durch den Versuch die jeweiligen
Umstände so gut es eben geht anzunehmen oder geduldiger und mitfühlender mit sich selbst oder der betroffenen Person zu sein. Eine aufbauende und tröstliche Annahme der Yogaphilosophie ist die
Vorstellung, dass tief in unserem Inneren ein Licht existiert, das frei ist von Schmerzen und Leid.
2. Geistige Trägheit, Erstarrung (Styana)
Neben körperlicher Trägheit, zum Beispiel nach einer deftigen Mahlzeit oder bei starker Hitze, gibt es auch Zustände in denen sich der Geist dumpf und schwer anfühlt. Das kann beispielsweise in einer Stimmung von Lethargie so sein oder wenn aus anderen Gründen die geistige Beweglichkeit abnimmt. Im Alltag zeigt sich durch ein Gefangensein in Gewohnheiten, einer starren Meinung, in eingefahrenen Sichtweisen und Angst vor neuen Erfahrungen. Vielleicht trifft die Bezeichnung Tunnelblick die Verfassung ganz gut. Die Ursache hierfür liegt im Gehirn, das Veränderungen als beunruhigend oder gar beängstigend wahrnimmt und alles am liebsten so wie immer haben will. Doch Veränderung gehört einfach zur Alltäglichkeit. Aber es ist nicht leicht, alte Verhaltensmuster oder bereits Gelerntes einem neuen Wissensstand anzupassen. Anstatt sich dagegen zu sperren, kann der Geist freundlich dazu eingeladen werden, sich zu öffnen und wieder neugieriger oder gar staunend auf die Vielfalt des Lebens einzulassen. Im Hinblick auf Yoga könnte sich das durch ablehnende Haltung gegenüber anderen Yogastilen äußern ("Das ist kein Yoga!") oder durch das Wiederholen müssen bestimmter Haltungen, ohne die Yoga gar nicht mehr vorstellbar ist. Auch das routinierte "Abspulen" einer Übungspraxis in gehört in diese Katagorie. Die Praxis muss jeden Tag zur selben Zeit getätigt werden und jegliche Störungen erzeugen massiven Widerstand. Dann ist wichtig, dass nicht nur der Körper aktiv wird, sondern auch der Geist wach bleibt. Denn aufgrund der neuronalen Plastizität ist das Gehirn formbar bis ins hohe Alter, was bedeutet, dass ungünstige Muster mit jeder positiven Erfahrung überschrieben werden können und sich daraus neue Perspektiven eröffnen können.
Während sich die ersten beiden Hindernisse körperlich und geistig deutlich bemerkbar machen, geht es bei den vier folgenden Stolpersteinen um die Beobachtung von Feinheiten im Bereich des Verstandes.
3. Übermäßige Zweifel, starke Unentschlossenheit (Samsaya)
Ein Lied der Hamburger Rockband Tocotronic heißt "Im Zweifel für den Zweifel". Im Alltag und auf dem Yogaweg kommen zahlreiche Bedenken zum Vorschein.
Grundsätzlich ist das auch gut so, weil Yoga eine Erfahrungswissenschaft ist und dementsprechend die Praxis im Hinblick auf die persönliche Zielsetzung stetig
überprüft wird. Der Duden definiert Zweifel als schwankende Ungewissheit, ob ein Vorgehen richtig und gut ist und ob etwas gelingen kann. Ein gewisses Maß an Skepsis und Neugier kann das Üben sogar voran bringen. Gegenteilig führt ein ständiges Fragen nach dem Sinn des Ganzen definitiv nicht in die Ruhe. In
überaktiver Weise produziert der Geist so viele Fragen und Befürchtungen, dass das Nervensystem durch ständige Kampf- oder Fluchtreaktionen belastet wird. Ein
massiver innerer Widerstreit sorgt durch wechselnde Emotionen für heftige Unruhe und kann einen Zustand der inneren Zerissenheit hervorrufen - es geht weder nach vorne noch zurück.
Mögliche Ursachen für einen Zwiespalt sind Unsicherheiten und Ängste, aber auch eine hohe Erwartungshaltung an sich selbst oder ein übertriebenes Bild von
Yoga. Lohnt sich die Anstrengung? Wie soll ich das schaffen? Ist Yoga überhaupt was für mich? Sollte ich den Stil oder Lehrer wechseln? Wozu das alles? Diese und ähnliche Fragen rauben Zeit
und Energie, die es für ein diszipliniertes Üben braucht. Und der Geist wird ziemlich abgelenkt, was nicht selten dazu führt richtig zu verzweifeln und nachlässig im Tun zu werden.
Die ersten drei Hindernisse machen sich häufig schon früh auf dem Yogaweg bemerkbar.
4. Hast, Nachlässigkeit (Pramada)
"Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht".
In unserer Leistungsgesellschaft ist es positiv konnotiert gut zu "funktionieren" und Aufgaben effizient zu erledigen. Der Alltag ist oft von Hektik und Eile geprägt, die dringend benötigte Ruhe und Entspannung wird einmal pro Woche auf der Yogamatte gesucht - dort aber nicht immer gefunden. Wer sich dauerhaft mit zu vielen Dingen auf einmal beschäftigt, kommt des Öfteren gar nicht zum Üben, trotz fester und guter Vorsätze. Die Zeit zum Üben rauscht einfach durch und schon ist wieder das Nächste dran, die positiven Effekte der Praxis verpuffen allmählich. Das passiert schnell, wenn zwischen den unzähligen Tätigkeiten nicht festgelegt wird, was vorrangig zu behandeln ist. Manchmal versteckt sich dahinter auch die Angst, sich auf eine Sache festzulegen und deshalb etwas anderes zu verpassen. Oder das Üben erzielt keine Fortschritte, weil der Geist nach lauter To-Do-Listen und "Das mache ich noch schnell" nicht mehr abschalten kann. Dabei sollte die geplante Auszeit doch den Energietank wieder auffüllen um weiterhin die alltäglichen Beschäftigungen gut zu meistern. Entspannung kann aber nicht erledigt oder "gemacht" werden, und schnell erst recht nicht. Durch die Übungspraxis kann sich ein Raum öffnen, der zur Entspannung einlädt. Die Wirkung der Praxis entfaltet sich nicht, wenn sich die "Hastik" aus dem üblichen Trott auf der Yogamatte wiederholt.
Im Yoga geht es nicht darum, seine Ziele schleunig zu erreichen. Oder ohne einen durchdachten Plan gleich mehrere Ziele auf einmal zu verfolgen. Natürlich ist es eine verlockende Vorstellung flink unterwegs zu sein und rasche Erfolge in der Körperarbeit oder Meditation zu sehen. Ich kann mich gut daran erinnern, dass mein regulärer Yogakurs nach einem Lehrerwechsel von Mittelstufe auf Anfänger zurück gestuft wurde. Daraufhin hat über die Hälfte der Teilnehmer den Kurs gewechselt, offensichtlich kam es vielen als Zeitverschwendung vor sich nochmals auf die Grundlagen einzulassen. In diesem Zusammenhang stellte sich mir jedoch die Frage nach der Wirksamkeit auf längere Sicht. Auch wenn das Belohnungssystem nach jeder erledigten Aufgabe oder einem messbaren Fortschritt anspringt, heißt das noch lange nicht, dass die Aufgabe oder Tätigkeit auch mit Herzblut, Wertschätzung und Achtsamkeit ausgeführt wurde.
Schleichen sich Ungeduld oder Hast in die Übungspraxis ein, können sich dadurch ungünstige Bewegungsmuster entwickeln und auf Dauer Schaden im Körper anrichten. So kann es passieren, dass der Atem beim Üben flach bleibt oder die Schultern unbewusst hoch gezogen werden. Aber auch auf der mentalen Ebene gibt es ungünstige Vorstellungen wie "Mit Yoga kann ich alles noch besser und schneller schaffen". Dann wird die Praxis auf den Aspekt der Selbstoptimierung reduziert. Oder es zeigt sich eine weitere Besonderheit sobald Ruhe im Yogaraum entsteht: der kreative Geist schweift ab und fängt an Lösungen für Probleme zu suchen. Oft erfolgreich mit dieser Strategie findet sich auch die ein oder andere gute Antwort auf pressierende Fragen. Das fühlt sich für den Moment zwar gut an, aber die angestrebte Verbindung von Körper, Atem und Geist wird nicht erreicht.
5. Faulheit (Alasya)
Ein Sprichwort im Sinne des Leistungsdenken besagt: "Was ich heute kann besorgen, das verschiebe nicht auf morgen". Untätig zu sein fällt unliebsam auf und der vollgepackte Alltag erlaubt keine ausgedehnten Pausen. Siegt allerdings doch einmal die Bequemlichkeit oder sind die Ziele der Tagesplanung unklar, dann kann es auch mal nach Oscar Wilde gehen: "Ich verschiebe niemals auf morgen, was sich auch übermorgen erledigen lässt!"
Im gesunden Wechsel lassen sich Tatendrang und Faulheit auch als sogenannte Work-Life-Balance bezeichnen. Stets die goldene Mitte zu erreichen ist nicht so einfach, man kann sich das bildlich wie eine Kugel auf einem Dreieick vorstellen: für einen kurzen Moment ruht sie auf der Spitze, rollt dann aber immer wieder in eine der unteren Ecken mit den Polen Aktion oder Trägheit.
Verschiebt sich das Gewicht mehr in Richtung Passivität, kann es leicht passieren, dass es zu einem Hängenbleiben in der Wohlfühlzone kommt. Eine angenehme Trägheit
lädt zum Verweilen ein, dort ist es richtig gemütlich, so dass sich keine Impulse oder Zweifel aufdrängen, die die Situation verändern könnten. Warum auch? In diesem Zustand fällt es
schwer etwas Neues anzufangen, denn das Energieniveau ist insgesamt niedrig. Bedürfnisse wie beispielsweise der Wunsch nach mehr Bewegung oder eine Sprache zu
lernen werden zwar verspürt, aber sich für das Vorhaben aufzuraffen kostet zu viel Überwindung.
Das Aufschieben von Tätigkeiten hat verschiedene Gründe. Der Wille Yoga zu praktizieren ist durchaus vorhanden, aber das schöne Wetter lädt zum Entspannen auf der
Gartenliege ein. Oder es gibt im Kino einen tollen Film. Es kommt zu einer spontanen Verabredung mit einer Freundin. So oder so, die Matte bleibt eingerollt in der Ecke stehen. Im Angesicht der
bevorstehenden "Anstrengung" reden wir uns gerne ein, dass wir uns in einem endlosen Zeit-und-Raum-Kontinuum befinden und noch ewig und drei Tage Zeit für Yoga haben, denn es ist ja heute
so warm, denn nur noch diese Woche läuft der Film und die Freundin hat gerade auch nur selten Zeit. Wenn die feste Absicht immer öfter vor sich hin bröselt, kommt es zu unangenehmen Schamgefühlen
oder zur Resignation. Es wird deutlich, dass das regelmäßige Ausrollen der Matte hohe Anforderungen an den Geist und die körperliche Ausdauer stellt.
Klar davon abzugrenzen ist allerdings ein Zustand von extremer Müdigkeit und tiefer Erschöpfung. Manchmal scheint es einfach unmöglich zu sein sich aufzuraffen um
sich zu bewegen. Hier macht es durchaus Sinn, sich eine regenerative Pause zu gönnen und sich ganz gründlich auszuruhen.
6. Ablenkung, Unruhe (Avirati)
Unser Alltag ist geprägt von unzähligen Reizen, die über die fünf Sinne an das Gehirn vermittelt werden. So sind wir es seit frühester Kindheit gewohnt und kennen es nicht anders. Wir sollen zuhören, zugreifen, uns umschauen, probieren. Aber vieles um uns herum nehmen wir auch gar nicht wahr, weil wir in Gedanken sind oder einer Tätigkeit nachgehen. Eine wichtige Aufgabe vom Gehirn ist das Sortieren und Ordnen der massenhaft auf uns einströmenden Eindrücke. Das Programm ist überlebenswichtig, es muss sichergestellt werden, ob es im Außen sicher oder gefährlich ist.
Dabei werden viele Informationen in sekundenschnelle verarbeitet ohne dass sie es ins Bewusstsein schaffen. Jeder Eindruck löst verschiedenste Gedanken und Gefühle aus, die Unruhe im Geist nimmt zu. So kann es passieren, dass gute Gefühle dazu verleiten, von einem zum anderen noch viel besseren Gefühl zu springen. Ich wähle ein inspirierendes Thema für ein Seminar und während den Vorbereitungen tauchen noch weitere reizvolle Ideen auf und plötzlich merke ich, dass ich mich total verzettelt habe. Aber auch in der anderen Richtung, wenn Sorgen und Probleme den Horizont verdunkeln, dreht sich das Gedankenkarussell. In diesem Fall kann es tatsächlich hilfreich sein, den Geist mit schönen Erinnerungen oder Vorfreude abzulenken. Unabhängig von der negativen oder positiven Färbung kostet diese Auseinandersetzung mit der Umwelt viel Kraft und Energie.
Daher kann schon die reizarmen Umgebung im Yogastudio wohltuend sein, wobei es zusätzlich Übungen gibt, die dem Rückzug der Sinne dienen. Als ganz große Kunst gilt es den Raum zwischen dem Reiz und der darauf folgenden Reaktion zu vergrößern oder gar zu unterbinden. Denn die Sinne sind immer aktiv, nicht nur um das Überleben zu sichern, sondern auch um Freude und Genuss zu erleben. Das macht sich vor allem beim Üben zuhause bemerkbar, wo sich Yoga nicht unbedingt als Oase der Ruhe darstellt. Die Matte ist bereits ausgerollt, aber dann klingelt der DHL-Bote (Paket auspacken!), das Handy plingt (Sprachnachricht abhören!), der Bauch knurrt (Kühlschrank sondieren!), der Tee ist noch nicht gekocht (nebenbei Spülmaschine ausräumen!) und die Yogasocken sind nicht auffindbar (Socken online bestellen!). Vielleicht sollten hier ausnahmsweise mal die drei Affen das Kommando übernehmen: ich höre nichts, ich sehe nichts, ich sage nichts!
7. Selbsttäuschung (Bhrantidarsana)
Während die mentalen Hürden die Bemühungen für eine regelmäßige Yogapraxis untergraben, geht es im Weiteren um subtile und tieferliegende Störfaktoren, die sich eher spät auf dem Yogaweg bemerkbar machen.
Hier kann es einerseits es zu einer Fehldeutung im Sinne einer Selbstüberschätzung kommen. Insbesondere wenn sich die Wirkung von Yoga schon positiv entfaltet hat, kann sich die Realität durch eine zu passionierte Haltung verzerren.
So kann das disziplinierte Üben ein überhebliches Verhalten hervorrufen ("Ich bin ein besserer Mensch durch Yoga") oder gar zum Missionieren führen
("Yoga kann und weiß alles"). Möglicherweise werden auch die eigenen körperlichen Grenze überschritten, wenn sehr ambitioniert praktiziert wird.
Die Leidenschaft für Yoga kann dermaßen mit einem durchgehen, dass Projekte in Angriff genommen werden, die die eigene Kapazität und Energie übersteigen. Als ich noch in Berlin unterrichtet habe, wollte ich unbedingt die Schule einer Kollegin übernehmen. Auch als ich damals schwanger war, habe ich mir noch in den schönsten Farben ausgemalt, wie ich mit Baby im Tragetuch vor der Gruppe stehe. Es kam dann anders, aber hätte ich die Schule mit Kind übernommen, wäre ich wohl maßlos überfordert gewesen. Manchmal reicht es nicht aus für Yoga zu brennen. Es muss gewährleistet sein, dass man sich weder zeitlich noch finanziell übernimmt und den Raum für die eigene Praxis offen hält, sonst verausgabt man sich erst recht.
8. Fehlende Zielstrebigkeit (Alabdhabhumikatva)
Wer schon über einen längeren Zeitraum Yoga praktiziert, erinnert sich vielleicht daran, mit welchen Zielen und Vorstellung er oder sie gestartet ist und welche Fortschritte mit der Zeit erreicht wurden. Als ich mich aufgrund von Stress und Erschöpfung in einer Yogaschule angemeldet hatte, hatte ich keine Ahnung was mich erwartete. Der Kurstitel (irgendwas mit Rücken) war nicht gerade verlockend und ich war weitaus die jüngste Teilnehmerin. Die Atmosphäre in der kleinen Dachgeschosswohnung, der herzliche Umgang der Teilnehmer miteinander und der wohltuende Unterricht führten unmittelbar dazu, dass ich die wöchentliche Stunde unter keinen Umständen ausfallen ließ und ich mich auch außerhalb der Kurszeit mit inhaltlichen Themen beschäftigte. Genau das wollte ich auch beruflich machen und meldete mich nach drei Jahren für die Yogaausbildung an. Währenddessen taten sich auch einige Hindernisse auf, doch selbst die Angst vor einer Gruppe zu stehen konnte ich erfolgreich überwinden. Doch es kann leicht passieren, dass die ursprünglichen Ziele aus den Augen verloren werden oder dass die jeweiligen Umstände dazu einladen, es sich auch unter den () bequem einzurichten. So habe ich bis heute noch keine eigene Yogaschule, obwohl es immer meine Vision war. Auch die intensive Auseinandersetzung mit () fällt im Alltag mit Familie deutlich geringer aus als im Vergleich zu früheren Ausbildungszeiten. Ab und wann fühle ich mich im Vergleich mit anderen Yogalehrern unterlegen, aber ich bin nach wie vor mit Freude und Neugier auf dem Weg. Gewinnt hier aber der Mangel an Mut und Vision erst einmal die Oberhand, wird es schwieriger voran zu kommen. Geistige Blockierungen in Form von Ausharren, Feststecken oder die Unfähigkeit eine Situation aus eigener Kraft zu ändern, können dazu führen dazu, dass nicht mehr gesehen wird, worum es (mir) eigentlich im Yoga geht. Ohne das Vertrauen in sich selbst zu haben, ohne eine klare Zielsetzung und ohne das Setzen von Prioriäten wird der Weg unnötig lang. Nichts anderes sagt die Grinsekatze zu Alice im Wunderland:
"Würdest Du mir bitte sagen, welchen Weg ich einschlagen muss?", fragt Alice.
"Das hängt in beträchtlichem Maße davon ab, wohin du gehen willst", antwortete die Katze.
"Oh, das ist mir ziemlich gleichgültig", sagte Alice.
"Dann ist es auch einerlei, welchen Weg du einschlägst", meinte die Katze.
"Hauptsache, ich komme irgendwohin", ergänzte Alice.
"Das wirst du sicher, wenn du lange genug gehst", sagte die Katze.
9. Mangel an Beharrlichkeit (Anavasthitatva)
Die letzte Hürde beleuchtet den Aspekt der Unbeständigkeit. An diesem Punkt kommt es zu Rückschritten und Frustration. Obwohl es kaum möglich ist, eine regelmäßige Praxis unter allen Umständen im Alltag aufrecht zu erhalten, ist es überhaupt nicht leicht, die Konsequenzen einer Unterbrechung zu akzeptieren. Nach dem Motto "Use it or lose it" bauen Körper und Geist verhaältnismäßig schnell bereits vorhandene Fähigkeit ab. Schon nach zwei Wochen Urlaub ist der Körper unbeweglicher, die Ausdauer hat nachgelassen und auch die Muskelkraft ist spürbar weniger geworden. Auch die störenden Gedanken während der Meditation können nach einer Pause deutlich aktiver sein. Schon nach einer kurzen Pause kann es sich anfühlen, als ob es wieder von ganz vorne losgeht. Oder kann der aktuelle Stand trotz stetiger Wiederholung nicht auf dem Niveau gehalten werden, kommt wahrscheinlich Langeweile und Unmut auf. Da kann schon mal der Gedanke alles hinzuschmeißen naheliegen. Letztendlich fehlt es an innerer Kraft um das bereits Erlernte und die damit verbundenen Erfolge aufrecht zu erhalten.